Bislang kaum Belege für Abwandern von Industrie wegen Klimaschutz

MCC analysiert Investitionsverlagerungen deutscher Firmen, die vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Erste Untersuchung dieser Art auf Basis der hochwertigen Mikrodaten der Bundesbank.

Chemie-Anlage (in Köln): Emissions- heißt meist auch kapitalintensiv, also weniger mobil. | Foto: Shutterstock/Aranas

15.05.2019

Die oftmals geäußerte Befürchtung, dass der Klimaschutz Industrie aus dem Land treibt, wird durch eine Auswertung der vertraulichen „Mikrodatenbank Direktinvestitionen“ der Deutschen Bundesbank entkräftet: Es gibt bislang kaum Belege dafür, dass deutsche Unternehmen, deren CO2-Ausstoß über den EU-Emissionshandel limitiert wird, darauf mit dem Aufbau von Produktion außerhalb der EU reagieren. Die Studie wurde unter Federführung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) erstellt und jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Energy Economics veröffentlicht. Es ist das erste Mal, dass das Thema nicht auf der Basis aggregierter Sektor- oder Länderdaten analysiert wird, sondern anhand von Mikrodaten zu den Aktivitäten der regulierten Unternehmen und ihrer Anlagen.

Für die Untersuchung nutzten die Forscher den Umstand, dass der EU-Emissionshandel nur für bestimmte Industriebetriebe gilt, methodisch aus: Sie ermittelten aus den Bundesbank-Daten sowohl für betroffene als auch für nicht betroffenen Firmen, wie sich deren Investitionen außerhalb der EU entwickelt haben. Mit in der Wissenschaft üblichen aufwendigen Matching-Methoden für Kausalanalysen stellten sie sicher, dass nur „statistische Zwillinge" verglichen wurden – also vom Emissionshandel erfasste Unternehmen und strukturell sehr ähnliche Firmen, die wegen geringfügig kleinerer Produktionsanlagen nicht erfasst werden. 

„Für die große Mehrheit der deutschen international tätigen Unternehmen im EU-Emissionshandel kann kausal kein Anstieg der Investitionen in Ländern außerhalb der EU festgestellt werden“, berichtet MCC-Forscher Nicolas Koch. „In den energieintensiven Branchen ist der Effekt sogar besonders gering ausgeprägt – was insofern plausibel ist, als dort die Kapitalkosten in der Regel hoch und Standortverlagerungen entsprechend teuer sind.“ Feststellen lässt sich ein durch Klimapolitik bedingtes Abwandern von Investitionen nur für sehr wenige Unternehmen in relativ sauberen Industrien wie dem Maschinenbau. Diese Firmen sind aufgrund geringer Fixkosten für den Aufbau neuer Produktionskapazitäten geografisch mobil. Sie repräsentieren aber nur 3 Prozent der deutschen CO2-Emissionen im Handelssystem.

Die Studie liefert Informationen über den Zeitraum von 2005, dem Jahr der Einführung des EU-Emissionshandels, bis zum Jahr 2013. Der Preis je Zertifikat (das zum Ausstoß einer Tonne CO2 berechtigt) schwankte in diesem Zeitraum zwischen 5 und 32 Euro; aktuell liegt der Preis bei 26 Euro, mit steigender Tendenz. „Natürlich muss man für die Zukunft die Möglichkeit einer Verlagerung im Auge behalten“, sagt Koch. „Es ist ja nicht wünschenswert, dass Unternehmen Arbeitsplätze nach außerhalb der EU exportieren und dort womöglich sogar mit höheren Emissionen produzieren.“ Immerhin zeigt die Studie auch, dass vom EU-Emissionshandel betroffene Unternehmen verstärkt Alternativstandorte erkunden und damit mögliche Reaktionen vorbereiten. „Doch die konkrete Verlagerungswelle, die seit dem Aufbau des Emissionshandels immer wieder beschworen und durch Unternehmensumfragen illustriert worden ist, ist auf Basis der offiziellen Daten zu den Auslandsinvestitionsströmen nicht empirisch nachweisbar.“

Weitere Informationen:
Koch, N., Basse Mama, H., 2019, Does the EU Emissions Trading System induce investment leakage? Evidence from German multinational firms, Energy Economics
https://authors.elsevier.com/a/1Z1wy_3DAZtdCK